Nein! Packet-Radio ist nicht tot.
Für alle, die zuhause Probleme mit dem Aufhängen von Kurzwellenantennen haben. Es gibt eine Welt jenseits von Kurzwelle, und damit meine ich nicht Ortsrelais oder DMR-“Internetfunk”. Nein Satelliten!
Seit 2022 ist Oscar 117 (IO-117) im Orbit und dreht im sog. “Medium Earth Orbit” (MEO) seine Runden. Was bedeutet MEO?
Nun bei LEO (Low Earth Orbit) bleibt einem zwischen AOS (“Acquisition of Signal”) und LOS (“Loss of Signal”)etwa 15Minuten Zeit ein QSO zu fahren. Genannt sei hier bspw. der Klassiker Oscar-50 (SO-50), der sich schon mit einem Equipment von unter 100 Euro bespielen lässt. Vgl. hierzu meinen Beitrag bei den “draussenfunkern“.
MEO ist eine ganz andere Klasse von SAT. Der steht schon mal – je nach Durchgang – etwas über eine Stunde am Himmel. Da kann man sich richtig schön austoben und relativ stressfrei experimentieren.
Was also macht IO-117 so besonders? Zum einen der Orbit mit seinen 1,5h Maximalüberflugzeit und zum anderen der eingebaute digipeater der mit 1,2k-Baud brav das digipeated, was hochgeschickt wurde. Durch den immensen Footprint lässt sich über IO-117 weit mehr arbeiten als bspw. über den GEOStationären QO100. Je nach Überflug geht da bspw. schon mal die Westküste der USA oder auch Alaska.
Was brauche ich um dort QRV zu werden? Ok, das geht leider nicht ganz so günstig wie bei einem FM-LEO-SAT, aber es geht. Schauen wir uns zunächst die Parameter an, die für ein erfolgreiches Packet-QSO notwendig sind:
Hardware
Im Gegensatz zu “normalem” terristischen Packetradio möchte der SAT per Seitenband bespielt werden. Damit fallen (alle mir bekannten) Handfunkgeräte schon mal aus. Benötigt wird also ein Transceiver der 70cm SSB beherrscht. Eine kleine Auswahl? Klar:
- Yaesu FT857 oder FT991
- ICOM IC-705 (amS die optimalste Maschine für diese Aktivität)
- ICOM IC-9700
- ICOM IC-7100
Ferner wird eine YAGI oder eine Logperiodic mit ordentlich Gewinn benötigt. Sendemässig reichen 5-10W locker aus. Konnt ich selber nicht glauben, ist aber tatsächlich so. Beide Antennen, die ich hier verlinkt habe, beherrschen sowohl 2m als auch 70cm.
Vorteil ggü. anderen SATs ist, das IO-117 per simplex befunkt wird. Ein Rückhören ist also – selbst wenn man wollte – gar nicht möglich. Eingabe und Ausgabe-Frequenz sind also gleich. Die Nominal-QRG befindet sich im 70cm-Band bei 435.308,7 kHz. Warum “Nominal-QRG”? Wir haben es hier mit dem Doppler-Effekt zu tun. Die effektive Eingabefrequenz liegt also etwas tiefer als die o.g. 435.308,7 und die Ausgabe etwas höher, solange sich der SAT auf uns zubewegt. Hat der den Zenith (“TCA = Time of Closest Approach”) überschritten wird es genau umgekehrt.
Software
Klingt kompliziert? Nein, ist es nicht. Um nicht ständig am Gerät nachdrehen zu müssen gibt es Doppler-Korrektursoftware. Ich nutze hier bspw. den PSTRotator. Dieser verbindet sich via OmniRig mit dem Transceiver. Nach dem man im SAT-Fenster die sog. “Kepler-Parameter” (diese geben an wann der SAT wo und wie erscheint, und aus diesen wird auch die Doppler-Korrektur berechnet) für IO117 heruntergeladen hat, kann man mit einem simplen Click auf “UP+DN” den TRX automatisch in der Frequenz nachführen.
Nun haben wir das “Doppler-Problem” schon mal gelöst. Aber PacketRadio ist ja digital. Wie geht das jetzt? Dazu brauchen wir zwei weitere Programme. Zum einen ein Soundmodem (Wer einen TRX mit eingebauter Soundkarte hat, kann das Soundmodem direkt darauf loslassen, alle anderen brauchen vermutlich eine externe Soundkarte. Da sei das sog. “DigiRig Mobile” empfohlen.), und zum zweiten ein Terminalprogramm. Das Soundmodem konfigurieren wir so, dass PTT über den COM-Port läuft (Hat man nur einen COM-Port vom TRX, empfehle ich hier VSPE – das macht aus einem COM-Port gleich zwei) und als Packet-Mode stellen wir 1k2-Greencube ein. Das mit dem PTT lässt sich wunderbar über die eingebaute “Calibration”-Funktion des Soundmodems testen. Ein Click auf Lower-Tone sollte den TRX in den Sendezustand versetzen, bei “Off” sollte er wieder ausgehen. Parallel dazu sollte auf dem TRX auch ein Soundsignal eingehen, dass der TRX dann modulieren darf/kann.
Der IC705 verfügt über zwei COM-Ports, was sehr komfortabel ist. Den ersten nutze ich für CAT (QRG nachstellen, etc.) in OmniRig. Da dieser ja nun belegt ist, nehme ich den zweiten COM-Port für PTT. Am TRX sollte man dazu mit den Einstellungen zu DTR/RTS von “USB-B” herumexperimentieren. Bei mir wird PTT ausgelöst, wenn auf dem zweiten COM-Port die DTR-Leitung auf “High” gestellt wird. Übrigens ist das mit DTR/etc. einer der häufigsten Verzweifelungsgründe wenn man mit OmniRig arbeitet. In other Words: Know your Transceiver!! Hat man keinen zweiten COMPort, so greife man auf VSPE zurück. Das tut nicht weh, weil der zweite “virtuelle” Port nur für DTR da ist. Man will da ja keine Daten drüber austauschen.
Wer bis hierhin durchgehalten hat, bekommt jetzt noch ein paar Tips zur Betriebstechnik.
Betriebstechnik
Um den SAT ausfindig zu machen, gibt es diverse Möglichkeiten. Ich halte es da simpel und nutze den “ISS-Detektor“. Dort kann man sich – u.a. – IO-117 herauspicken und erfährt wann der nächste Überflug ist, wohin die Antenne zu halten ist, etc. Zum Thema Antenne noch ein Wort: Experimentiert mit der Polarisation! Das macht einige dB aus. Also mal horizontal mal vertikal ausprobieren. Der Unterschied ist immens. Ob ihr richtig liegt könnt ihr im Transceiver an den charakteristischen Paket-Bursts hören. Je klarer diese aus dem Lautsprecher kommen, desto höher die Chance, dass das Soundmodem (s.o.) die Bursts auch dekodieren kann.
Im Grunde kann über das Terminalprogramm eine X-Beliebige Textnachricht gesendet werden. Da man jedoch bei einem Überflug im wahrsten Sinne des Wortes alle Hände voll hat (Antenne ausrichten, ggf. Frequenzkorrekturen einstellen, Terminal beobachten, Soundmodem justieren), hat sich ein FT8-ähnlicher Betrieb auf dem Satelliten bewährt. Oben im Terminal kann man Makros hinterlegen. Das sollte man auch tun. Ich selbst habe 3 Makros angelegt:
- CQ [MYGRID4]
- 599 [MYGRID4] QSL?
- 599 [MYGRID4] RR73
Der grundsätzliche Ablauf (siehe Bild) ist wie folgt:
- Station A: CQ Ruf mit Grid
- Station B: 599 Grid QSL?
- Station A: 599 Grid R(R)73
- Station B: R(R)73
Wird man direkt gerufen, empfiehlt es sich instant ein “599 [Grid] 73” abzusetzen. Nur mit dem 73 zählt das QSO, alles weitere dann gerne danach.
Ein wichtiger Punkt noch: So lange man selbst nichts dekodieren kann, sollte man es tunlichst unterlassen zu senden. Eigene (selbst gesendete) Pakete werden idR ein paar sekunden nach dem TX repeated. Damit kann man prima sehen, ob auch alles funktioniert. Ansonsten sei noch der “Guide” von DF2ET zu erwähnen. Er listet do’s und dont’s auf dem Vogel auf. Bitte beachten!
All-in-All macht das Ding wirklich ähnlich süchtig wie die ersten FT8-QSOs die man so auf Kurzwelle gefahren hat. Hier ist allerdings weitaus mehr Handarbeit als nur ein paar Mausclicks erforderlich. Mit FT8 ist das ganze also wirklich nicht zu vergleichen.
Übrigens: Nicht gleich verzweifeln. Das ganze erfolgreich ans laufen zu bekommen, hat mich etwa 2 Tage Lebenszeit gekostet. Und: Es gibt auch schon mal passes, da geht gar nichts (weil der digipeater nicht eingeschaltet ist, oder man 70cm QRM hat, oder aber einfach einen schlechten Tag erwischt hat). Also nicht entmutigen lassen. Man hört sich auf dem SAT 🙂
Impressionen
Screenaufnahme von zwei IO-117 QSOs.
Im Video ersichtlich:
- Unten rechts das Soundmodem mit den charakteristischen “Paket-Bursts”
- Oben rechts der PSTRotator zum nachführen der QRGs
- Oben links: Das Greencube-Terminal in dem sich QSOs etc. abspielen
- Unten links: Das Hauptfenster von PSTRotator, als anhaltspunkt wie die Antenne zu halten ist.
Wie man sieht werden eigene Aussendungen (Orange) kurze Zeit später vom digipeater wieder ausgestrahlt (Hellorange). Sobald man direkt “angesprochen” wird, erscheinen blaue Zeilen. Ebenfalls erkenntlich: Nicht jedes Paket kann sauber dekodiert werden. Da ist wirklich Fingerspitzengefühl mit der Antenne gefragt.